Europäisches Rolandnetzwerk
Das Europäische Rolandnetzwerk ist ein Zusammenschluss gleichberechtigter Rolandorte, denn Rolande wurden sowohl in Städten als auch in Dörfern aufgestellt. Der Zeitraum ihrer Ersterwähnung bzw. Errichtung erstreckt sich vom 13. Jahrhundert (Halle 1245) bis zum 18. Jahrhundert (Questenberg 1730).
Im folgenden umfangreichen Beitrag gibt die Sprecherin des Europäischen Rolandnetzwerkes, Martina Hennies, Einblick in Geschichte und Bedeutung der Rolande und ihrer Orte. Eingeleitet sei dieser mit Impressionen der vom Netzwerk lebendig gehaltenen Roland-Tradition.
Ursprung und Namensgeber
Die historische Person Hruodlandus war ein besonders ehrenhafter und rechtschaffender Gefolgsmann Karls des Großen. Er fiel 778 und bietet eine glaubwürdige Ableitung des Namens Roland. Die Identifizierung mit diesen Idealen aus der Legende um Hruodlandus wurde insbesondere von den Pilgern nach Santiago de Compostela fortgetragen und anfangs als Heldentod für seinen König, bald als Märtyrertod für das Christentum im »Rolandslied« besungen.
Rolandstandorte in ganz Europa
Zahlreiche Rolande befinden sich in Mitteldeutschland. Anzutreffen sind sie jedoch ebenso in Norddeutschland, im Baltikum (Lettland/Riga) bis hin zur Adria, wo in Dubrovnik der südlichste Roland steht. Deshalb will der im Jahre 2007 von BürgermeisterInnen, VertreterInnen aus kommunalen Verwaltungen, TouristikerInnen und Ehrenamtlichen sowie Rolanddarstellern gegründete Zusammenschluss als Europäisches Netzwerk wahrgenommen werden und heißt weitere Rolandorte als neue Mitglieder herzlich willkommen.
Rolandorte, so groß oder klein sie auch sind, wollen sich als weltoffene Schnittpunkte der gemeinsamen europäischen Vergangenheit und Zukunft darstellen. So werben die Rolanddarsteller bei ihren öffentlichen Auftritten für diesen verbindenden Gedanken. Die Rolandorte halten Informationsmaterial bereit, und Rolandrouten sowie die Kontaktstelle in der Historischen Europastadt Stolberg (Harz) unterstützen die Bemühungen des Netzwerkes.
Privilegien unterschiedlicher Art
Rolande stehen an ehemaligen Handelsschnittpunkten und werden heute von Kulturtouristinnen und -touristen bestaunt, die die Geschichte und Lebensweise in diesen Orten kennenlernen wollen. Rolande verkörpern Rechte und Freiheiten und zeigen sich an Rathäusern oder auf Plätzen mit individuellen Ausformungen in Rüstung, Uniform, Mantel, bekrönt, stehend oder beritten. Als kulturhistorische Zeitzeugen stehen sie unter Denkmalschutz.
Rezeption
Wo historische Quellen die frühere Existenz eines Rolandes belegen, sind in der Gegenwart auch Neuaufstellungen initiiert worden (z.B. Gardelegen 2002, Bennungen 2012). Drei Rolandrouten verbinden die Rolandorte in Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen. In Belgern existiert ein Rolandpark mit Miniaturdarstellungen.
Die Rolandorte verfügen mit ihrem Roland-Standbild über ein verbindendes Element, das in Vorzeiten von der jeweiligen Bürgerschaft als selbstbewusstes Symbol von Tradition und gesellschaftlichen Werten errichtet wurde. Die Tradierung der Rolandssage und der Fortbestand der Rolanddarstellungen haben starke Symbolkraft für die Menschen bis in die Gegenwart.
Vielfältige Namensadaptionen in den Rolandorten wie z.B. Rolandschule, Rolandapotheke, Rolandstuben, Roland Bräu sind Ausdruck des Identifikationsbedürfnisses der Bewohner mit »ihrem« Roland.
Ein starkes Symbol
Kopien des wohl bekanntesten Bremer Rolandes begegnen Reisenden sogar in New York/USA, 1890 gestiftet von einem Auswanderer, und in Obihiro/Japan, 1970 als moderne Nachbildung aufgerichtet.
Sogar in Brasilien gibt es seit 1932 mit der Stadt Rolândia einen Bezug auf die mehr als 1000jährige Rolandsgeschichte. Die Bewohner bezeichnen sich als »Rolandenser« und verkörpern mit ihren individuellen Familien- und Fluchtschicksalen zur Zeit des Nationalsozialismus stärker als jeder andere Bewohner eines Rolandortes die Bedeutung von Freiheit und Recht. Die Stadtgeschichte Rolândias sollten Sie unbedingt nachlesen.
Erklärung aus der Gründungsurkunde vom 15.3.2007 (Auszug)
Die Rolandorte unterstützen die Erforschung der Geschichte und Bedeutung der Rolandstandbilder. Setzen sich für die Vertiefung der Kontakte zu europäischen Regionen ein, die mit der Roland-Tradition ebenfalls verbunden sind.
Mitgliedsorte des Europäischen Rolandnetzwerkes mit Ersterwähnung bzw. Errichtung des Rolandes
Belgern (1550), Bennungen (1593/2012), Brandenburg (1474), Burg (1518/1999), Calbe (1381/1976), Gardelegen (1450/2002), Haldensleben (1419/1927), Neustadt/Harz (1698/1730), Nordhausen (1411/2000), Oebisfelde (1893/1989), Perleberg (1498/1546), Plötzky (1725/2005), Potzlow (1305/1991), Prenzlau (1495/2000), Questenberg (1730/1976), Stendal (1525/1974)
Gut zu wissen
Es bestehen Verbindungen zu weiteren Rolandorten, die ihre Mitgliedschaft vorbereiten. Beitrittserklärungen aus weiteren Rolandorten zum Europäischen Rolandnetzwerk sind in der Kontaktstelle jederzeit willkommen. Ein jährlicher Mitgliedsbeitrag wird nicht erhoben. Die Kontaktstelle berät Initiatoren aus Rolandorten gern.
Von der Historischen Europastadt Stolberg aus gesehen stehen die nächsten Roland-Standbilder in Questenberg, Bennungen, Neustadt, Nordhausen, Quedlinburg und Halberstadt.
© Foto Nordhäuser Rolandstandbild: Dr. Wolfram Hennies