11. April 2025 | 9:00 Uhr
Tagung: Gewalt im Bauernkrieg

Gewalt im Bauernkrieg
Als 1525 „die rohe Stimme des Aufruhrs über ganz Deutschland erscholl und alle Bauern mit Sensen, Mistgabeln, Knotenprügeln und Feuerbränden bewaffnet den Herren in Schlössern und Klöstern Tod und Verderben schwuren“, so fabulierte 1810 Johann Friedrich Butenschön, rheinischer Schulinspektor in französischen Diensten, habe sich „deutsches Blut aus allen Bächen und Strömen“ in den Rhein ergossen. „Mönche wurden am Altar, wo sie unter dem Läuten der Sturmglocke auf den Knien lagen, von den rasenden Bauern erwürgt, und es war noch ein beneidenswertes Glück, wenn nichts als das dampfende Blut der Nonnen die Zellen dieser armen Mädchen befleckte.“ Butenschöns Horrorgemälde ist in seinen Ausschmückungen ein sicher extremes Beispiel, aber es entspricht doch einem jahrhundertelang gepflegten Bild von den Gewalttaten der wilden Bauernhorden, das im Kern bereits auf die Chronistik des 16. Jahrhunderts zurückgeht.
Als sich allmählich eine differenziertere oder sogar positivere Sicht auf den Aufstand von 1525 durchsetzte, trat das Gewalthandeln der Bauern in den Hintergrund. Die „Revolution des Gemeinen Mannes“ (Peter Blickle) manifestierte sich eher in ihren Forderungen und Zielen als in Brutalität und blieb merkwürdig körperlos. Umgekehrt wuchs das Entsetzen über die von Seiten der Herren verübten Massaker, etwa in der „Schlacht“ von Frankenhausen, ebenso wie über deren maßlose Strafaktionen im Anschluss an die Niederlage der Bauern. Aber auch hier unterblieb in der Regel eine nähere Analyse. Das Thema ‚Gewalt‘ bleibt bis heute ein auffälliger weißer Fleck auf der durchaus bunten Forschungslandkarte zum Bauernkrieg, unbeschadet einiger interessanter neuerer Arbeiten (z.B. von Paul Burgard über die Rituale des Aufstands in Neustadt/Orla oder von Thomas T. Müller über den Mühlhäuser Haufen als „Mörder ohne Opfer“).
Die Tagung will dieses Terrain multiperspektivisch erkunden und deshalb „Gewalt im Bauernkrieg“ erstmals systematisch zum Thema machen. Dabei wird es um das eigentümliche Missverhältnis zwischen verbaler Gewalt und physischer Gewalt gehen, um die rechtliche Dimension der Devianzpraktiken der Bauern, um symbolische Gewalt und spezifische Zerstörungspraktiken der Bauern, um die Bewertung der militärischen Kampffähigkeit der Bauernhaufen und der dabei mitwirkenden weiteren Gewaltakteuren, und letztlich um die Strafgewalt im Anschluss an die Niederschlagung des Bauernkrieges. Die Vorgänge in Mitteldeutschland werden dabei im Vergleich mit den Vorgängen an anderen Schauplätzen des Bauernkrieges im Alten Reich betrachtet und analysiert werden.
Tagungsprogramm am Donnerstag, 10. April 2025
14.30 Uhr – Grußworte und Einführung
15.15 Uhr – Lyndal Roper (Oxford, UK) – „Aufruhr” und Turbulenz: Der deutsche Bauernkrieg
16.00 Uhr – Kaffeepause
16.30 Uhr – Matthias Bähr (Münster/ Dresden) – Aufstand der Mistgabeln? Konfliktkulturen im Bauernkrieg und der selektive Blick des 20. Jahrhunderts
17.15 Uhr – Birgit Ulrike Münch (Bonn) – Gräueltaten und „gemeiner man“, Marter und Misogynie: Die Bauernkriegszeit als Auslöser neuer Visualisierungen von Gewalt-Bildern?
Tagungsprogramm am Freitag, 11. April 2025
9.00 Uhr – Horst Carl (Gießen) – Kriegsgewalt – der Schwäbische Bund als Gewaltakteur im Bauernkrieg
9.45 Uhr – Gerd Schwerhoff (Dresden) – Fürsten und Fürstenheere als Gewaltakteure im Bauernkrieg
10.30 Uhr Kaffeepause
11.00 Uhr – Thomas Roth (Darmstadt) – Brandschatzen und Plündern im Bauernkrieg. Der schmale Grat zwischen performativem Protest und politischer Gewalt
11.45 Uhr – Edmund Wareham Wanitzek (London, UK) – Eine Visualisierung der Gewalt gegen das Mönchtum im Deutschen Bauernkrieg
12.30 Uhr Mittagspause
14.30 Uhr – Lucas Wölbing (Leipzig) – „Lose Buben“ und „abgesagte Feinde“ – Zum Zusammenspiel von Fehdegewalt und Aufstand im mitteldeutschen Bauernkriegsgebiet
15.15 Uhr – Max Wunderlich (Kassel) – „die bruderschaft hat gestern wolt uber euch ziehen“. Drohungen als Praktik der Haufen im Bauernkrieg
16.00 Uhr Kaffeepause
16.30 Uhr – Jakob Debelka (Halle) – Annäherungen zwischen bäuerlichen Aufständischen und adligen ‚Gewaltprofis‘ während des Bauernkrieges von 1525
17.15 Uhr – Thomas T. Müller (Lutherstadt Wittenberg) – Von erhängten Mönchen und vergifteten Bauern. Imagination und Realität im Bauernkrieg
Tagungsprogramm am Samstag, 12. April 2025
9.00 Uhr – Andreas Pečar (Halle) – Zwischen Hassrede und Fake News. Luthers Sprachgewalt in seiner Bauernkriegspublizistik
9.45 Uhr – Herbert Eiden (Essex, UK) – Gewalt im englischen Bauernaufstand von 1381
10.30 Uhr Kaffeepause
11.45 Uhr – Ulrich Niggemann (Augsburg) – Kommunikation und Gewalt: Ein vergleichender Blick auf frühneuzeitliche Revolten
11.00 Uhr – Andreas Würgler (Genf, CH) – Mit Gewalt zur Herrschaft? „Bauernrevolten“ in der Eidgenossenschaft in europäisch-vergleichender Perspektive (15.-17. Jahrhundert)
Kontakt
Prof. Dr. Gerd Schwerhoff: Gerd.Schwerhoff@tu-dresden.de
Prof. Dr. Andreas Pečar: andreas.pecar@geschichte.uni-halle.de
- Freitag, 11. April 2025
- 9:00 - 18:00 Uhr
- Rathaus Stolberg
-
Rittergasse 2
06536 Südharz | OT Stolberg (Harz)